Meine Rede zu unserem Antrag: Schule ist mehr als nur Unterricht: Reform- und Modernisierungsmaßnahmen jetzt vorbereiten und mit Beginn des Schuljahres 2024/2025 umsetzen! (Drs 7/15943)

Sehr geehrter Herr Präsi­dent, verehrte Abge­ord­nete,

Wie ich bere­its im vorigen TOP angekündigt habe, wir haben ganz konkrete Vorstel­lun­gen davon, was jet­zt bil­dung­stech­nisch zu tun ist. In allererster Lin­ie möchte ich aber einen Grund­satz nochmal klarstellen, dem sich alles unterord­net: Bil­dung ist ein Men­schen­recht und ist und bleibt Auf­gabe des Staates. Punkt.
Wir alle hier haben noch die jüng­sten Ergeb­nisse der PISA-Studie vor Augen. Die muss ich hier nicht referieren.

Fakt ist aber, dass seit Jahren der flächen­deck­ende Man­gel an Lehrkräften bekan­nt ist. Und den­noch wur­den zu wenige Änderun­gen der Lehrpläne mit dem Blick aufs Wesentliche vorgenom­men. Jen­seits davon sind Lehrerin­nen und Lehrer sowie Schulleitun­gen nach wie vor mit zu vie­len bürokratis­chen Ver­wal­tungsvorgän­gen befasst. Schü­lerin­nen und Schüler wer­den kaum oder gar nicht in die Entwick­lung von Lern­in­hal­ten und ‑prozessen einge­bun­den.

Nicht völ­lig unbe­grün­det fordert nun der Lan­dess­chüler­rat das Lern­feld „Glück“ als Quer­schnitts­the­ma in der Schule zu imple­men­tieren. Wie und ob und über­haupt, darüber kann man ganz sich­er disku­tieren. Genau­so machen sich junge Leute auf den Weg und wollen darüber disku­tieren, dass Hausauf­gaben abgeschafft gehören und dass wir wir den weit­er­führen­den Schulen einen späteren Schul­be­ginn ermöglichen. Und da steckt doch was dahin­ter. Stress und Frus­tra­tion sind All­t­ag an der Schule. Die Jugendlichen wis­sen oft­mals nicht, wie sie diese Sit­u­a­tio­nen bewälti­gen kön­nen und sollen, wenn auf den einen Stress bere­its der näch­ste fol­gt. Schon deshalb ist es richtig, grund­sät­zlich darüber nachzu­denken, wie wir Schule verän­dern, den Real­itäten anpassen müssen.

Auch deshalb haben wir uns gefreut, dass Sie, nach­dem wir seit vier Jahren unaufhör­lich einen Run­den Tisch zur Zukun­ft des Schul­we­sens fordern, das Pro­jekt „Bil­dungs­land 2030“ in Gang geset­zt haben. Exper­tin­nen und Experten kon­nten berat­en, es gab einen öffentlichen Beteili­gung­sprozess und es sind Hand­lungsempfehlun­gen erar­beit­et wor­den.
Auch wir haben uns mit Expert:innen, Lehrer:innen, Eltern und natür­lich den Schü­lerin­nen und Schülern in öffentlichen Fachge­sprächen aus­ge­tauscht, vor allem über die Frage, was JETZT zu tun ist, welche Maß­nah­men nicht mehr bis 2030 warten kön­nen und welche Vorschläge nicht in der Schublade „Bil­dungs­land“ ver­schwinden dür­fen.

Ich kann Ihnen mit­teilen, dass unsere Erken­nt­nisse gar nicht so weit weg sind von denen des Kul­tus­min­is­teri­ums, aber warten kann nie­mand mehr. Die Som­mer­fe­rien müssen genutzt wer­den, um das näch­ste Schul­jahr best­möglich vorzu­bere­it­en und endlich auch im All­t­ag der Schüler:innen spür­bar machen, dass ver­standen wurde, worum es geht und das sich auch TATSÄCHLICH etwas ändert.

Wir haben uns Gedanken gemacht und haben Vorschläge erar­beit­et. Diese deck­en sich eben­falls mit den Ergeb­nis­sen des Bil­dungs­lan­des 2030, den Hand­lungsempfehlun­gen der Bil­dungs­foren sowie den Kern­forderun­gen des vom Lan­desel­tern­rat Sach­sen (LER) veröf­fentlicht­en „Posi­tion­spa­piers 2024“.

Ich möchte auf einige Punk­te einge­hen:

1. Die Mod­ernisierung des Unter­richts
Die Frage „Wozu brauche ich das später denn mal?“ bleibt mit Blick in die Lehrpläne auch heute kaum beant­wortet. Und wir alle ken­nen diese Frage. Deshalb braucht es eine Anpas­sung der Lehrpläne, so dass die Schü­lerin­nen und Schüler in die eige­nen Lern­prozesse ein­be­zo­gen wer­den kön­nen und erken­nen kön­nen, warum Lehrin­halte sin­nvoll sind.

Wir wollen Möglichkeit­en zur Koop­er­a­tion von Schü­lerin­nen und Schülern untere­inan­der, aber auch mit Expert:innen aus der prak­tis­chen Arbeitswelt schaf­fen. Zusam­men­halt, gegen­seit­ige Unter­stützung und das Ken­nen­ler­nen neuer Per­spek­tiv­en muss mein­er Mei­n­ung nach zum Schu­lall­t­ag gehören. Nur dann kann kon­struk­tiv­er Aus­tausch entste­hen und Prob­leme und The­men miteinan­der ver­han­delt und gelöst wer­den. Dazu müssen aber demokratis­che Mitbes­tim­mung­sprozesse im Unter­richt sowie im Schu­lall­t­ag ver­ankert wer­den.

2. Die Verbesserung der Arbeits­be­din­gun­gen von Lehrerin­nen und Lehrern
Wie oft haben wir schon über die mul­ti­pro­fes­sionellen Teams gesprochen — aber wo sind sie? Sie wer­den an allen Schulen drin­gend gebraucht. Genau­so wie eine Arbeit­szeit­er­fas­sung für alle Lehrerin­nen und Lehrer. Die Studie der GEW zeigt, wie hoch die Mehrar­beit bei Lehrer:innen ist und welche Aus­maße mit­tler­weile Ver­wal­tungsar­beit ein­nimmt.

Wenn Klassenlehrer:innen beispiel­sweise mit­teilen, dass sie es nicht mehr schaf­fen, eine Klassen­fahrt zu organ­isieren, ist das ein echt­es Prob­lem. Das geht über­haupt nicht. Hier müssen drin­gend Ver­wal­tungsas­sis­tentin­nen und Ver­wal­tungsas­sis­ten­ten zur Stelle sein, die diese Auf­gaben übernehmen.

3. Die schnelle und spür­bare Senkung der Belas­tun­gen für Fam­i­lien
Zur Ent­las­tung gehört nicht nur ein kosten­freies Mit­tagessen, son­dern es geht auch um psy­chis­che Ent­las­tung. Immer noch sind die Fol­gen von Coro­na in Fam­i­lien, unter den Lehrerkräften und bei unfass­bar vie­len Schüler:innen, The­ma und spür­bar. Mit­tler­weile ist der Leben­sall­t­ag für viele geprägt von unfass­barem Druck und Stress. Das macht es zwin­gend notwendig, auch in den Schulen schnellere und bessere psy­chol­o­gis­che Unter­stützung für Schü­lerin­nen und Schüler bere­itzustellen.
Par­al­lel schließen wir uns der wichti­gen Forderung des Lan­desel­tern­rates an, Nachteil­saus­gle­iche bei Dyskalkulie bere­itzustellen sowie die Inklu­sion in allen Schulen zu stärken. Im Übri­gen keine neue Forderung unser­er­seits.

4. Reformierung des Lehramtsstudi­ums
Die im Feb­ru­ar veröf­fentlichte Studie „Neue Lehrkräfte braucht das Land — Her­aus­forderun­gen und Hand­lungsempfehlun­gen für die Lehrkräfteaus­bil­dung in Deutsch­land 2024“ von Mark Rack­les habe ich mit dem Ver­fass­er in der let­zten Woche disku­tiert und wir waren uns einig: es braucht Refor­men in der Lehramt­saus­bil­dung. Studierende müssen von Beginn an die Möglichkeit haben, die Prax­is und den Schu­lall­t­ag ken­nen zu ler­nen. Außer­dem ist die Prü­fungslast auf Grund der Dop­pel­be­las­tung Bachelor/Master und Staat­sex­a­m­en viel zu hoch. Hier muss drin­gend was getan wer­den. Da ist eine hohe Abbruchquote der Studieren­den vielle­icht nicht ver­wun­der­lich. Aber die tat­säch­lichen Gründe müssen zügig evaluiert wer­den, damit uns in Zukun­ft nicht noch mehr Lehrkräfte ver­loren gehen.

Grund­sät­zlich find­en wir, ist das Pro­jekt „Bil­dungs­land Sach­sen 2030“ eine gute Sache, aber es muss jet­zt auch mal los­ge­hen. Daher fordern wir, dass der Lan­des­bil­dungsrat nach § 63 SächsS­chulG die Umset­zung fach­lich vorantreibt, kri­tisch begleit­et sowie den Land­tag regelmäßig über den Umset­zungs­stand berichtet.

Bei all­dem gilt auch hier: Ohne Moos nix los! Für den kom­menden Entwurf des Staat­shaushalt­s­planes erwarten wir daher, dass die Bil­dungsaus­gaben (von Bund, Land und Kom­mune) auf 6% des Brut­toin­land­spro­duk­ts erhöht wer­den. Außer­dem braucht es zusät­zlich ein auskömm­lich finanziertes, umfassendes Investi­tion­spro­gramm, damit auch der Aus­bau von Gemein­schaftss­chulen weit­er vor­angetrieben wer­den kann.

Es gibt also einiges zu tun. Wenn Schü­lerin­nen und Schüler nicht mehr wis­sen, wie Zusam­men­halt und ein demokratis­ches Miteinan­der funk­tion­ieren und nur getrieben wer­den möglichst gute Noten zu schreiben, möglichst schnell eine Aus­bil­dung oder ein Studi­um zu begin­nen, um möglichst schnell dem Arbeits­markt zur Ver­fü­gung zu ste­hen, um dann in Jobs zu arbeit­en, die schlecht bezahlt sind und gar nicht den indi­vidu­ellen Fähigkeit­en entsprechen, geht das gesellschaftlich schief. Dessen müssen wir uns bewusst sein! Ich kann nur sagen: Wir haben ver­standen! Her mit dem angenehmen Leben, wenig­stens in der Schule und her mit der Bil­dungs­gerechtigkeit.
Vie­len Dank für Ihre Aufmerk­samkeit.