09. November 2023 Meine Rede zum AfD Antrag Drs. 7/14324 — Einigkeit und Recht und Freiheit — Durchgehende Beflaggung an sächsischen Schulen ab dem Schuljahr 2024/25 gewährleisten
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete,
Die AfD fordert in Ihrem Antrag, „dass Schulen ab dem Schuljahr 2024/2025 an jedem Schultag ohne besondere Anordnung mindestens mit der deutschen Bundesflagge und mit der sächsischen Landesflagge beflaggt werden“, außerdem, „das gemeinschaftliche Singen der deutschen Nationalhymne ab dem Schuljahr 2024/2025 als festen Bestandteil in den Ablauf besonderer schulischer Veranstaltungen zu integrieren.“
In aller Regelmäßigkeit wird seit einigen Jahren, sei es von der CDU oder nun von der AfD vor sich hin geglaubt, dass Nationalflaggen ein kulturelles Angebot zur Identifikation an die Bürger eines Landes wären. Aber wodurch wird diese Identifikation geschaffen? Durch die Flaggen? Wohl eher nein.
Ich zitiere Reiner Marx: „Eine Fahne ist nur ein Symbol, ein Zeichen, das ständig nach Bedeutung ringt. Aber die gemeinsamen Wertvorstellungen aufzubauen, die diesem Land zugrunde liegen, sie zu vermitteln, zu pflegen, darum zu streiten, sie zu verteidigen und tagtäglich auch zu leben, das ist die eigentliche Herausforderung. Und dazu bedarf es keiner Symbole an Schulen, sondern ganz klassischer Bildungs- und Erziehungsarbeit, die von kompetenten, gut bezahlten Lehrkräften in ausreichender Zahl bewerkstelligt wird.“ (1)
Mehr gäbe es zu ihrem Antrag eigentlich nicht zu sagen, wäre da nicht das, über was wir eigentlich noch reden müssen. Sie versuchen das Land nach rechts zu drehen und damit die Demokratie zu schleifen. Sie reden über Fahnen und Hymnen und meinen letztlich ein anderes Gesellschaftsbild. Das wäre dann ein Land, in dem ich und die Mehrheit hoffentlich nicht leben möchten.
Mit Fahnen vor Schulen aber schafft man keine neue Bildungsrealität. Was wir unseren Kindern und Jugendlichen vermitteln sollten, ist, dass die freiheitliche Verfassung und die Form der Wertegemeinschaft, die wir hierzulande pflegen, nicht selbstverständlich sind. Dass sie jeden Tag erstritten werden muss. Dass sie unabhängig von Nationalitäten ist. Dass jede Idee von Gemeinschaft größer ist als ein Symbol, unter dem man sich versammelt. Keinesfalls sollten wir den jungen Leuten lehren, dass die Welt in diese, jene und solche eingeteilt gehört.
Und genau das ist doch, was ich bei diesem und anderen Anträgen unterstellen muss. Trennung, die Einteilung in die und wir, verbunden mit einer Überhöhung des eigenen Selbst gegenüber anderen. Das war und bleibt schlecht für die Gesellschaft. Das, was sie nämlich unter Wertevermittlung, Identifikation und Gemeinschaft verstehen, ist nichts weiter als der Versuch der Indoktrination durch nationale Symbolik, die im Kern auf eine möglichst geschlossene Gesellschaft hinleitet, die sich abgrenzt und ausgrenzt und abschottet.
Sie wollen keine Kinder, die selbst und kritisch nachdenken und hinterfragen, sondern Kinder und Jugendliche die folgen. Sie wollen keine mündigen Bürger:innen, die in Gemeinschaft mehr sehen als Fahnen und Hymnen und für die Identifikation mit diesem Land vor allem das Leben von Demokratie, Gleichberechtigung und Teilhabe aller ist. Für die Gemeinschaft ein Dafür statt einem Dagegen ist.
Wir können nun bezeugen, deutlicher als noch vor einigen Jahren, wie sie sich unsere Gesellschaft vorstellen. Und Bildungspolitik ist ein untrennbarer Bestandteil dessen.
Einen Vorgeschmack gab ihr Parteifreund Höcke im Sommer als er sagte, dass Inklusion eines von den „Ideologieprojekten“ sei, von denen man das Bildungssystem „befreien“ müsse.
Diese Projekte brächten Schüler nicht weiter und machten sie nicht leistungsfähiger. Sie führten nicht dazu, „dass wir aus unseren Kindern und Jugendlichen die Fach-kräfte der Zukunft machen“. Menschen mit Beeinträchtigung sollen also keinen Platz an Regelschulen haben. Das ist unfassbar.
Ferner steht in dem Wahlprogramm der AfD aus dem Jahr 2019: Die Arbeit des Vereins „Schule ohne Rassismus“, dem sich in Sachsen 91 Schulen angeschlossen haben, ist für Sie „politische Indoktrination und gehört an Schulen verboten“. Das sollte man ernst nehmen. Jetzt schon werden Vereine und Initiativen, die sich für eine demokratische Gesellschaft einsetzen von ihnen diffamiert und mit Dreck beworfen. Weil diese aufzeigen, dass es Ihnen eben nicht nur um Fahnen und Hymnen an Schulen geht, sondern um den radikalen Umbau unserer Gesellschaft in der Würde, Menschlichkeit und Solidarität keinen Platz mehr haben sollen.
Ich bin noch 4 Jahre in einem Land zur Schule gegangen, in dem Fahnenappelle und Uniformität wesentlicher Bestandteil des schulischen Alltags waren, dieses Land gibt es nicht mehr. Aus gutem Grund.
Kurzum ich fände es besser, wenn Klassensätze unseres Grundgesetzes in jedem Zimmer einer Schule liegen und diskutiert werden würden, und dass zu offiziellen Festivitäten unser Grundgesetz gefeiert werden würde. Mit ordentlich rumsbums. Meinetwegen auch mit Pauken und Trompeten und mit Herz, Achtung, auch mit Mut. Und ohne wehende Fahnen. Und wenn schon eine Fahne und eine Hymne, dann doch bitte die europäische.
(1) https://www.welt.de/wirtschaft/karriere/plus201716496/Lehrer-in-Deutschland-Hohe-Bezahlung-schlechtes-Image.html#_blank