17. Juni 2021 — Luise Neuhaus-Wartenberg: Wo war die CDU in den letzten 30 Jahren? Ich frage für eine westdeutsche Freundin, Herr Wanderwitz

Zu den Aus­sagen des Ost­beauf­tragten der Bun­desregierung, Mar­co Wan­der­witz, im LVZ-Talk sagt Luise Neuhaus-Warten­berg, Sprecherin der Links­frak­tion für das The­ma Osten

„Herr Wan­der­witz spricht immer noch nicht ern­sthaft darüber, welchen Ein­fluss drei Jahrzehnte CDU-Regierung auf den Rück­halt demokratis­chen Denkens in Sach­sen hat­ten. Man kann sich­er vieles auf die DDR schieben, aber dur­chaus nicht alles. Zum Beispiel gibt es einen Hang zu recht­sradikalen Parteien auch bei vie­len jün­geren Men­schen – für die Bil­dung ist seit 30 Jahren aber eben nicht mehr Mar­got Honeck­er ver­ant­wortlich, son­dern Wan­der­witz‘ Partei. Wenn wir ern­sthaft Ursachen­forschung betreiben wollen, dann darf man das nicht außer Acht lassen.

Ich finde es zutief­st unangemessen, dass Wan­der­witz einem Teil der Ost­deutschen eine verk­lärende Darstel­lung der DDR vor­wirft, aber durch deren plumpe Gle­ich­set­zung mit dem Naziregime selb­st kein dif­feren­ziertes Bild von ihr zeich­net. Ein wesentlich­er Kri­tikpunkt in der Debat­te zum Osten lautet, dass über die Ost­deutschen und eben nicht mit den Ost­deutschen gesprochen wird, wenn es um das Leben in der DDR geht.

Viele Ost­deutsche durch­leben zwar leichtere, aber eben noch immer schwere Jahre, wenn man auf die sys­tem­a­tis­chen Ost-West-Unter­schiede etwa bei den Einkom­men schaut. Hinzu kommt nicht nur die geringe Repräsen­tanz der Ost­deutschen in Leitungs­funk­tio­nen. Die let­zten Jahrzehnte blieben für viele eben kein Auf­bruch in die ersehnte Frei­heit, son­dern in die Enge der sozialen Unsicher­heit. Das und die langjährige Ger­ingschätzung ost­deutsch­er Lebensleis­tun­gen sind als Frust-Fak­toren min­destens eben­so wichtig wie das, was an den Kaf­feetafeln über die DDR erzählt wird. Wahrschein­lich sind sie sog­ar wichtiger.

Immer­hin zeigt sich der Ost­beauf­tragte offen für eine Diskus­sion über Quoten­regelun­gen. Es ist auch ein Ver­di­enst der LINKEN, dass darüber gesellschaftlich debat­tiert wird. Es ist die CDU, die seit Jahrzehn­ten das Leis­tung­sprinzip hochhält. Es müsste bei der Beset­zung von Führungspo­si­tio­nen auch für Ost­deutsche gel­ten. Oder etwa nicht?“