„Draußen im Lande, hier und heute stellen sich die Fragen, und damit möchte ich schließen: Letzten Endes, wer wollte das bestreiten“ (Loriot)

Am Mon­tag, den 18. März 2019 19 Uhr in der Kul­tur­apotheke in der Eisen­bahn­straße, for­mal Ernst-Thäl­mann-Straße, aber das ist fast 30 Jahre her, im Leipziger Osten. Und ja, um den Osten sollte es gehen. Nicht nur den von Leipzig. Vielmehr um den von Deutsch­land, eine Region, wenn Men­sch europäisch denkt, wenn Men­sch allerd­ings vom Lebens­ge­fühl nicht Herr ist, wie Men­sch auch sein darf, das Zen­trum ein­er Welt. Sein­er und ihrer, aber eben auch unser­er.

Fra­gen über Fra­gen, weitaus weniger Antworten, aber woher sollen die auch kom­men, wenn wir drei Jahrzehnte nach- die einen sagen Wiedervere­ini­gung, die anderen sagen, Beitritt, manche wiederum die Wende, oder Leute wie ich, ein­fach nur 1989- noch nicht mal Einigkeit über die Begrif­flichkeit her­stellen kon­nten. Es scheint, als wäre es höch­ste Zeit, über die Aufar­beitung der Aufar­beitung zu reden, ein real­is­tis­ch­er Blick auf Geschichte, auch wenn es die eigene ist, braucht es doch, um über Zukun­ft reden zu kön­nen, ohne Plan­wirtschaft zu betreiben, aber einen Plan braucht es eben doch. Denn ger­ade scheint unsere Demokratie in Gefahr und das nicht nur im Osten, aber eben auch. Der Osten nervt, jam­mert, ist nicht sat­is­fak­tions­fähig, undankbar, undemokratisch, rechts und „Hört, Hört“ auch unpro­duk­tiv. Und ja, „Ihr habt das so gewollt.. In Stabü nicht aufgepasst? Struk­turschwache Regio­nen gibt es auch im West­en! Die Rast­stät­ten­k­los sind im Osten mod­ern­er und sauber­er als im West­en.. Was wollt Ihr denn noch? Braucht es den Osten über­haupt?“

Spaß bei­seite, mal im Ernst..

Die Men­schen mit ost­deutsch­er Biogra­phie erlebten und erleben oft, dass ihre Lebensver­hält­nisse eben nicht, wie ver­sprochen, die gle­ichen wie im West­en sind. Das bet­rifft vor allem auch säch­sis­che Lebensver­hält­nisse. Die Wirtschaft­sleis­tung bleibt geringer, die Löhne und Renten niedriger und die tech­nis­che und soziale Infra­struk­tur, zumal in den ländlichen Räu­men, schlechter. Gle­ichzeit­ig sind die Ost­deutschen in den Spitzen­po­si­tio­nen in Wis­senschaft, Wirtschaft oder Jus­tiz deut­lich unter­repräsen­tiert. Der Präsi­dent der Bun­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung, Thomas Krüger, spricht davon, dass „die Dom­i­nanz der West­deutschen in den Eliten immer noch als kul­tureller Kolo­nial­is­mus erlebt (wird)“. Und der Sozi­ologe Raj Koll­mor­gen spricht von „Net­zw­erken der Macht“, zu denen Ost­deutsche eben kaum Zugang hät­ten. In den Elitepo­si­tio­nen betrage der Anteil Ost­deutsch­er zwis­chen 1 und 2 Prozent, obwohl sie 17% der Gesamt­bevölkerung aus­macht­en.

 

Hart in der Sache, aber trotz­dem san­ft im Herzen, straff kon­tro­vers und mit klaren, pro­voka­tiv­en Posi­tio­nen haben Andrej Hermlin, Katin­ka Mit­tel­dorf, Prof. Dr. Joachim Rag­nitz, Juliane Witt, Matthias Höhn,  Elis­a­beth Hen­nig und ich über Selb­st­be­wusst­sein und Jam­merossis, ängstliche Poli­tik­er und Anpas­sung, Pro­fes­sion­al­ität und Dilet­tan­ten­tum und die Ohn­macht der Poli­tik im All­ge­meinen und Beson­deren diskutiert…Fehlt es den Ost­deutschen an Net­zw­erken für die Wahrnehmung ihrer eige­nen Inter­essen, und welch­es wäre das dann? Dann spricht vieles dafür, selb­st welche zu entwick­eln. Wie kom­men wir etwa dahin, dass kleine und mit­tel­ständis­che Unternehmen zusam­menkom­men und wir endlich über regionale Kreis­läufen sprechen? (Im West­en gibt es die und wie selb­stver­ständlich) Wie kön­nen sich die beson­ders betrof­fe­nen ländlichen Regio­nen gegen­seit­ig helfen? Wie kom­men wir zu ein­er „Net­zw­erkkul­tur-Ost“? Und was ist denn nun mit den jun­gen Men­schen, die nur die heutige Bun­desre­pub­lik ken­nen, also jung sind und Erwartun­gen an die Zukun­ft haben, die sich möglicher­weise von denen der älteren Gen­er­a­tion unter­schei­den, für die der Osten aber das zu Hause ist?

In Zeit­en, wo ganz plöt­zlich Poli­tik­erin­nen und Poli­tik­er den Osten ent­deck­en, wir als LINKE mit zuge­sproch­en­er Ostkom­pe­tenz trotz­dem über Jahre dacht­en, irgend­wie braucht es das Reden über den Osten nicht mehr, denn immer­hin sind wir eine gesamt­deutsche Partei, machen fleißig mit und das ist gut so, kann so eine Ver­anstal­tung, die die Quad­ratur des Kreis­es ver­sucht hat, nur der Anfang sein, von ganz klein­teili­gen und einge­gren­zten Debat­ten. Und selb­stver­ständlich, auf uns ist Ver­lass, wir machen das. Bald mehr und auch in diesem For­mat. Her­zlichen Dank an alle, die diesen Abend mit­gestal­tet haben. „Sie haben jet­zt noch eine Drit­telsekunde für Frieden und Frei­heit.“ „Fff!“

„Und damit wün­schen wir Ihnen einen aus­ge­wo­ge­nen guten Abend.“ (Lori­ot, Sendezeit-Aufteilung zwis­chen SPD und CDU/CSU)