Wenn Die LINKE was kann, dann auch Wirtschaft… Na selbstverständlich!
Einleitend möchte ich sagen, dass es bei jeder Betrachtung natürlich auch immer Ausnahmen gibt. Die wirtschaftliche Situation von Klein- und Mittelständischen Unternehmen in Sachsen unterscheidet sich branchenspezifisch sehr stark. Die folgenden Ausführungen nehmen Bezug auf die vielen strukturellen Probleme ohne konjunkturelle Momentaufnahmen, wie die zum Beispiel derzeitige Hochphase der (privaten) Baubranche, zu beleuchten.
Das politische Handeln der sächsischen Regierung, auch und gerade ihre Wirtschaftspolitik, geht an der Lebenswirklichkeit der Menschen in Sachsen vorbei. Der „Aufbau Ost” hat eben mit dem Einzug des kapitalistischen Wirtschaftssystems an vielen Stellen nicht funktioniert. Viel schlimmer ist, dass die Erwartungen der Menschen nach dem Fall der Mauer nicht erfüllt wurden. Genau das wurde dem Osten zum Verhängnis. Es begann als Testfeld für den neoliberalen Umbau und endete für die Menschen in der bitteren Realität, des längeren Arbeitens, verbunden mit weniger Urlaub und weniger Geld.
Die positive Entwicklung der sächsischen Wirtschaft, der Anstieg des Bruttoinlandprodukts, in den vergangenen Jahren, konnte bis heute nicht bei den Menschen ankommen. Noch immer verdienen sie im Osten knapp 25% weniger als im Westen. Das ist zutiefst beschämend und macht was mit den Leuten und ihrem Lebensgefühl. Damit bleibt die positive Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung für die meisten im Osten nur schönes verschwobeltes Gerede und hinterlässt einen fahlen Beigeschmack. Was passiert, wenn die Diskrepanz zwischen den Lebensverhältnissen und die damit einhergehende Unzufriedenheit mit der Politik, dem Leben gefühlt irgendwie zunimmt, zeigt der Aufwind rechtsradikaler Parteien wie der AfD. Die Ergebnisse der Bundestagswahlen sprechen Bände. Im Hinblick auf die Landtagswahlen 2019 ist diese Entwicklung nicht nur ein Alarmsignal, sondern könnte auch Chance zugleich sein, die es unbedingt zu nutzen gilt. Von uns! Denn, auch wenn die Finanz und Wirtschaftskrise vielleicht gerade vorbei zu sein scheint, so haben wir es aktuell mit einer gesamtgesellschaftlichen und politischen Krise zu tun. Dieser Krise muss man eine Neuordnung auch im wirtschaftlichen Bereich entgegensetzen. Die Rede ist von fairen Rahmenbedingungen und einem gerechten Auskommen für Alle. Die Rede ist von weniger Bürokratie und mehr Entfaltung. Die Chance kann nicht im reinen Beschwören einer Aufbruchsstimmung liegen, wie Ministerpräsident Kretschmer es versucht.
Das Gerede vom Aufbruch haben die Menschen im Osten satt. Sie haben es zu oft gehört. Und was blieb? Oft und zu oft Enttäuschung. Ähnlich geht es dem Klein- und Mittelstand, der nach 1989 für sich eine Chance sah und an Veränderung und Wohlstand glaubte, sich jedoch heute in dem Gefühl wiederfindet, zu wenig beachtet zu werden.
Der Zusammenhang, dass die öffentliche Hand, besonders in Ostdeutschland, und zwar in all ihren Formen, Land, Kommunen und alle ihre Strukturen, Waren und besonders Dienstleistungen zu für den Produzenten nicht auskömmlichen Preisen einkauft, schädigt nicht nur Unternehmerinnen und Unternehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern verhindert gleichzeitig auch das Entstehen einen vernünftigen Wirtschaftsstruktur und nicht zuletzt höherer Steuereinnahmen für die äffentliehe Hand.
In ähnlicher Weise, nur noch radikaler und rücksichtsloser agieren die großen Kapitalgesellschaften in ihren Vertragsbeziehungen zu den KMU, und steigern auf diese Weise ihre Profitraten.
Wirtschaft und Linke? Unternehmen und Linke? Irgendwie scheint das immer noch etwas zu sein, was schwer, auch in unseren eigenen Reihen zusammen gedacht werden kann und wird. DIE LINKE sollte Ihr Verhältnis zu den Unternehmen definieren. Der Unternehmer ist nicht nur als Kapitalist zu sehen, der sich Mehrwert aneignet und Menschen ausbeutet. Die Unternehmen in Sachsen sind in ihrer übergroßen Mehrheit klein. Von den ca. 180 Tausend Unternehmen in Sachsen haben ca. 160 Tausend weniger als 10 Mitarbeiter*innen und fast Dreiviertel der Unternehmen sind in der Dienstleistungsbranche angesiedelt. Und die Unternehmen haben häufig eine geringe Kapitalausstattung. Viele Soloselbständige und Freiberufler*innen beuten in aller Regel sich selbst aus. Und was gerechter verteilt werden soll, muss vorher erwirtschaftet werden. Die größte Kompetenz, die uns Linken zugerechnet wird, ist die, der sozialen Gerechtigkeit. Von dorther gilt es auch linke Wirtschaftspolitik zu denken. Es ist an der Zeit, dass dem Klein- und Mittelstand ein Angebot gemacht wird. Unser Angebot muss zum einen die Bedingungen für die wirtschaftliche Entfaltung aller, die es wollen, schaffen. Zum anderen müssen die klein- und mittelständischen Unternehmen die Anerkennung erfahren, die sie verdient haben. Sie sind eine tragende Säule im Freistaat und haben dementsprechend auch eine gesellschaftliche Verantwortung, an die sie selbstverständlich auch erinnert werden müssen. Wenn wir über die Wiederbelebung der ländlichen Regionen sprechen, geht es auch um den volkswirtschaftlichen Wert des Klein und Mittelstandes, der besonders da eine wichtige Rolle spielt. Hierfür ist vor allem die Konzentration auf regionale Wirtschaftskreisläufe entscheidend.
“Im Osten nichts Neues”
Bis heute leidet der Osten unter den sozialpolitischen und wirtschaftlichen Fehl Entwicklungen, die mit der Wende kamen. Hunderttausende verloren ihre Arbeitsplätze in der Industrie. Hunderttausende wurden ob der Versprechen, die ihnen gemacht wurden, enttäuscht. Davon konnte sich die Ostwirtschaft, davon konnten sich die Menschen im Osten, kaum erholen. Trotz einiger „blühender Landschaften” mieden größere Konzerne es, ihren Sitz in den Osten zu verlegen. Gleiches gilt für die Verteilung von ministerialer Verwaltung. Bis heute sind es zwei Bundesbehörden im Osten. Und aktuell sieht es nicht so aus, dass der Osten noch eines hinzubekäme. Ganz im Gegenteil, auf den Osten wird zumeist despektierlich geschaut, selten bewundernd. Es ist uns klar, dass mehr Aufmerksamkeit für den Osten nicht verordnet werden kann. Es ist uns klar, dass mehr Respekt und Anerkennung für die vielfältigen ostdeutschen Lebensmodelle vor 1989 und danach ganz sicher nicht von jetzt auf gleich andere Wahlergebnisse und vor allem andere gefühlte Lebensrealitäten entwickelt. Die Umwälzungen seit 1990 sind im Westen oftmals nicht nachzuvollziehen. Obwohl wir nunmehr in einem gemeinsamen Land leben, befinden wir uns nach wie vor in ganz unterschiedlichen Realitäten. Dieses Phänomen bleibt bis heute bestehen und bringt die Menschen im Osten in eine stete Rechtfertigungsrolle gegenüber denen im Westen. Selbst wenn sich größere Unternehmen für einen Standort in den neuen Bundesländern entscheiden, so ist die Entscheidung in Zeiten des „Immer höher, schneller, weiter — schlichtweg in Zeiten des puren Kapitalismus” zumeist eine Entscheidung gegen den Osten Deutschlands.
Unter den schwierigen Bedingungen der Nachwendezeit versuchte die sächsische Regierung mit einer Wirtschaftspolitik, die die sächsische Industrie auf globale Märkte und den Export konzentrierte, den Freistaat wieder auf Kurs zu bringen. Gleichzeitig verkaufte man Sachsen als Billiglohnland. Damit erfuhr Sachsen ein Stigma, welches es kaum abzuschütteln vermochte und vermag. Unter diesem leidet auch und im Besonderen der sächsische Klein und Mittelstand.
Denn diese Stigmatisierung macht etwas mit den Menschen und damit auch was mit den Unternehmen in Sachsen. Es geht um den Mut, aus diesem Dilemma selbst auszubrechen und sich nicht mehr weiter klein zu machen. Das braucht natürlich politisch gesetzte Rahmenbedingungen, die genau das möglich machen.
Es gibt trotzdem auch positive Entwicklungen im Osten. Hier sei ein Beispiel aus Mecklenburg Vorpommern aufgegriffen: im Bereich der Führungsebene im Klein- und Mittelstand nämlich wird hier mit gutem Beispiel vorangegangen. Denn jede fünfte Frau ist Chefin eines Mittelstandsbetriebs. Da gibt es in Sachsen noch eindeutigen Nachholbedarf.
Es geht also um Anerkennung der Lebens- und Aufwertung der Arbeitsleistung auch und im Besondern im Klein- und Mittelstand in Sachsen. Dazu gehört nicht nur eine Angleichung der Entlohnung. Dazu gehört vor allem Lebensqualität. Jenseits davon, „Heiter werden alle Mienen, bei dem schönen Wort verdienen”, geht es um mehr, wenn wir über Lebensqualität sprechen. Das sind ein gut ausgebautes Schul- und Kitanetz, kulturelle Angebote, die Möglichkeit einkaufen gehen zu können, vernünftige medizinische Versorgung oder auch sanierte Straßen und ein ordentlicher ÖPNV.
Gute Rahmenbedingungen
Probleme der KMU beim Agieren auf dem Markt
- Bei Nachfrage von großen Unternehmen besteht enormer Druck, der insbesondere dadurch entsteht, dass sich dort wirtschaftlich völlig ungleiche Vertragspartner*innen gegenüberstehen, und die großen Unternehmen ihre wirtschaftliche Überlegenheit auf unterschiedliche Weise
- Bei Nachfrage von öffentlicher Hand (Vergabe) durch Vergabeverfahren besteht enormer Preisdruck, der besonders bei Dienstleistungen im Ergebnis nicht auskömmliche Entgelte zur Folge
- Zwar gibt es aktuell eine steigende Nachfrage von Privatleuten aufgrund der Lohnentwicklungen (Mindestlohn), allerdings handelt es sich für die meisten Betriebe um kleinteilige und damit auch nicht lukrative Aufträge. Trotz voller Auftragsbücher fehlen aber die Fachkräfte und die Hürde für eine Unternehmensvergrößerung ist aufgrund steuerrechtlicher und arbeitsrechtlicher Hürden relativ
Sachsen ist ein Land der Gegensätze. Dabei muss in vielen Fällen von einem Gewinner Verlierer-Verhältnis gesprochen werden. Städte wie Leipzig, Dresden und Chemnitz, deren Wirtschaftskraft wächst und die ebenso eine wachsende Bevölkerung haben, stehen als scheinbare Gewinner*innen auf der einen Seite. Die ländlichen, zumeist strukturschwachen, mit geringer Wirtschaftskraft ausgestatteten Räume, die einer zunehmenden Binnenwanderung hin zu den Städten ausgeliefert sind, stehen auf der anderen Seite. Ähnlich verhält es sich in der Wirtschaft selbst. Die von Biedenkopf eingeführte „Leuchtturmpolitik” führte zu einer Differenzierung. „Leuchttürme”, vornehmlich Unternehmen mit globaler Ausrichtung, landeten auf der Gewinner*innenseite. Kleinst- und Mittelbetriebe wurden damit in einem scheinbaren Automatismus hingegen auf die Verlierer*innenseite gestellt. Wo Leuchttürme stehen, fallen Schatten um die eben besonders im ländlichen Raum. Bis heute sorgt diese Art der Politik für einen unfairen Wettbewerb und für ein Ungleichgewicht. Scheinbar leider zu spät wurde von den jeweiligen Staatsregierungen erkannt, dass Sachsen eigentlich ein Flächenland ist. Wir als Linke monieren das schon lange.
Für viele kleinere Handwerksbetriebe bedeutet diese Ignoranz der Situation der ländlichen Regionen den Verlust von Kunden und Aufträgen. Wenn ein Installationsbetrieb aus Zittau sein Geld damit verdient, über die Lande zu fahren und die Waschmaschinen, besonders von älteren Leuten zu reparieren und seine Kund*innen ihm mitteilen, dass sie entweder nur mit Ratenzahlung oder erst in ein paar Monaten in der Lage sind, ihre Rechnung zu bezahlen, dann sagt das nicht nur viel über die Rente von Menschen aus, sondern eine Menge über eine ganze Region. In den Flächenkreisen reden wir dann relativ schnell über die Schließung des Betriebes. Damit sehen sich die übrig gebliebenen Betriebe mit einem größeren Areal, das sie „abzufahren” haben, konfrontiert. Volle Auftragsbücher sind das Eine, aber die Kunst und
Herausforderung besteht darin, nicht „Nein” sagen zu müssen, zu einem Auftrag, um im Gespräch zu bleiben. Kleine Unternehmen sind händeringend auf der Suche nach Leuten in der Fläche, finden aber kein Personal. Und warum nicht? Weil schlichtweg kaum noch Menschen mit einer angemessenen Ausbildung in der Fläche wohnen. Von weiter weg zu akquirieren bedeutet die Garantie, in einem Jahr und darüber hinaus, den Job bieten zu können. Doch wer weiß, was in einem Jahr ist. Sicherheit empfindet da kaum noch jemand. Sowohl mit den Löhnen und Gehältern als auch beim Thema Jobsicherheit sind die kleinen Unternehmen nicht in der Lage (und teilweise auch nicht willens) mit Großunternehmen mitzuhalten.
Volle Auftragsbücher sind nicht immer gleichbedeutend mit Liquidität des Unternehmens. Handwerksbetriebe sehen sich nicht nur oft bei Privatkund *innen mit dem Problem konfrontiert, dass ihre Leistung nicht oder viel zu spät bezahlt wird. Ähnliches gelte im Besonderen bei Aufträgen der öffentlichen Hand.
Im Ergebnis erzielen die KMU (zu) wenig Gewinn.
Folge nicht auskömmlicher Entgelte für KMU sind dann Löhne und Gehälter der dort Beschäftigten, teilweise sogar der Unternehmerinnen und Unternehmer selbst, die nicht zum Leben (Befriedigung elementarer Bedürfnisse) ausreichen. Eigentlich wären Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen zu nicht auskömmlichen Preisen anbieten, schnell am Ende. Das dieses Ende dann eben zumindest nicht schnell eintritt, verdanken sie staatlicher Intervention: diese stützt die Fehlentwicklung durch Gewährung diverser staatlicher Zuschüsse (so genannte Aufstocker, Wohngeld etc., letztlich auch Hartz IV, Grundrente). Schließlich kommt es so zu einer staatlich organisierten Umverteilung. Eben nur nicht, wie immer behauptet, von Oben nach Unten, sondern umgekehrt: Durch diese Zahlungen werden letztlich Produktionsverhältnisse verstetigt, die ohne diese Interventionen gar nicht aufrechterhalten werden könnten. Auch in der Daseinsvorsorge wird das ein zunehmendes Problem. Nicht nur Handwerksleistungen sind davon betroffen, sondern auch zum Beispiel die mobile Pflege. Mit den Interventionen können die großen Kapitalgesellschaften und die öffentliehe Hand weiter billig Waren und Dienstleistungen von den KMU kaufen, ohne dass sie selbst eine adäquate Gegenleistung erbringen.
Wie kann dieser Teufelskreis durchbrochen werden?
Die linke Antwort darf sicher nicht lauten, die staatlichen Interventionen in diesem Bereich zu kürzen oder gar zu beenden. Im Gegenteil, DIE LINKE. fordert seit vielen Jahren zu Recht eine größere sozialstaatliche Intervention in diesem Bereich, um die Lage für diese Menschen spürbar zu verbessern. Allerdings, und davor sollten wir nicht die Augen verschließen: die Vergrößerung staatlich gewährter Zuschüsse würde die oben genannten Fehlentwicklungen nicht beenden, größere Zuschüsse die Profitraten der großen Kapitalgesellschaften wahrscheinlich noch vergrößern. DIE LINKE muss die Ursachen für diese Entwicklung deutlicher benennen und sich abseits von politischen Phrasen Lösungsansätze aufzeigen:
Ein möglicher Ansatz ist die staatliche Intervention auf den Bereich auszudehnen, wo die Ungleichheiten entstehen, nämlich auf die Austauschverhältnisse zwischen den Marktakteuren, dort wo die Markt- und Kapitalmacht der großen Kapitalgesellschaften freie Vertragsverhältnisse verhindert.
Die derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten zu staatlicher Intervention in diesen Bereichen sind marginal und jedenfalls kaum geeignet, wirksam die Macht dieser Akteure zu begrenzen. Nötig wären rechtsstaatliche Instrumente zur
- Zerschlagung/ Entflechtung von Akteuren mit zu großer Kapital- und Marktmacht
- Verhinderung des Entstehens zu großer Kapital- und Marktmacht
- Schaffung praktisch durchsetzbarer Rechtsnormen* im Verhältnis der Marktakteure, die strukturell verhindern, dass permanent nicht auskömmliche Marktpreise entstehen (* z.B. Mindestentgelte für KMU inkl. der Soloselbständigen)
Das Argument, entsprechende Maßnahmen führten letztlich zu einer Teuerung von Waren und Dienstleistungen, die letztlich zu einem Kaufkraftverlust bei der Privaten Nachfrage führen, lässt außer Acht, dass zumindest ein Teil der Entgeltleistungen über Steuern, Abgaben (wieder) zurück an die öffentliche Hand gehen, sowie als Entgelt (Löhne und Gehälter) an die Beschäftigten zurückfließt.
Die Politik ist in der Pflicht, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl infrastruktureller als auch bildungspolitischer und förderpolitischer Natur sind. Begleitet werden sollten die Rahmenbedingungen durch einen Bürokratieabbau.
Infrastruktur
Damit sich die Betriebe in ihrem Unternehmer*innentum entfalten können und ihrem volkswirtschaftlichen Wert gerecht werden können, sind sie vor allem auf eine funktionierende Wirtschafts- und Infrastruktur angewiesen, die durch den Staat abgesichert werden muss. Dazu gehört selbstverständlich ein Verkehrssystem, das es jedem Unternehmen und jedem Betrieb in Sachsen unabhängig seiner Größe möglich macht, seine Produkte entsprechend seiner Anforderungen zu transportieren. Die Regierung muss hier auf die Kleinteiligkeit der Wirtschaft in Sachsen Rücksicht nehmen und danach die Logistikkonzepte ausrichten. Denn Sachsens Wirtschaft sind nicht nur global agierende Unternehmen mit Sitz in einer der Städte, sondern sie lebt vor allem vom Netz aus kleineren und mittleren Betrieben in den ländlichen Regionen.
Neben der veränderten logistischen Anforderung haben sich ebenso die Anforderungen an die Mobilität der Arbeitnehmer*innen geändert. Immer mehr Menschen pendeln zur Arbeit und nehmen immer weitere Strecken auf sich um zur Arbeit zu kommen. Auch hier ist die Politik in der Pflicht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Diese betreffen zum Beispiel im Detail den Anschluss von Chemnitz an den Schienenfernverkehr oder aber im Größeren die Vereinheitlichung der Tarife und Fahrpläne, um so den Bedürfnissen der Vielzahl von Pendlerinnen und Pendlern gerecht zu werden. Es geht um Kosten, Taktungen, Anbindungen und und und. Genau hier mal über den Tellerrand zu schauen und zu gucken, wie andere Länder unterwegs sind, Südtirol zum Beispiel, wäre schlau und angemessen.
Zu einer gut funktionierenden Infrastruktur gehört ebenfalls ein entsprechendes sozialpolitisches Netz, zum Beispiel aus Kindergärten und Schulen, deren Ausstattung den Anforderungen des sich stets verändernden technischen Fortschritts entspricht und die durch die Regierung entsprechende Förderungen erhalten. Bildungspolitisch darf sich Sachsen nicht auf vorliegenden Pisa-Studien ausruhen und sich ausschließlich im Vergleich mit den anderen Bundesländern betrachten, sondern sollte es wagen, sich Vorzeige-Schulsysteme anderer Staaten anzuschauen und sich daran zu orientieren. Ansonsten wird die Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Regierung an die Unternehmen, international mitzuhalten und dem konservativen Bildungssystem, das der Großteil der Belegschaft dieser Unternehmen erfahren hat, immer größer.
Entscheidend ist, dass nur mit einer gut funktionierenden Infrastruktur ein Standort sowohl für einen Betrieb als auch für potentielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv ist. Selbstverständlich sei hier einmal der dringend notwendige Breitbandausbau aller Regionen Sachsens erwähnt, der scheinbar in Gang kommt und wir gespannt sein können, ob die Staatsregierung ihre Versprechen hält. Die Standortattraktivität sinkt jedoch, wenn insbesondere bürokratische Hemmnisse dafür Sorge tragen, dass beispielsweise Bauvorhaben, die die öffentliche Daseinsvorsorge betreffen, lange dauern. Das ermutigt weder den Betrieb noch potentielle Bewohnerinnen und Bewohner, in eben jene Region zu gehen.
An dieser Stelle spielt auch der Bund eine entscheidende Rolle. Dieser sollte ein entsprechendes Maßnahmenpaket verabschieden, dass öffentliche Investitionen unter anderem für Bildung und Infrastruktur beinhaltet. Sachsen wiederum sollte diese Maßnahmen zügig und unbürokratisch umsetzen, um so den Anforderungen einer sich stets und schnell verändernden Welt gerecht zu werden.
Industrie
Der Klein- und Mittelstand fühlt sich zusehends in die Enge getrieben und erfährt seit einigen Jahren eine zunehmende Vernachlässigung. Das spiegelt sich auch in den Investitionen wieder, die seit über 15 Jahren rückläufig sind. Begonnen hat diese Vernachlässigung mit der Einführung der Leuchtturmpolitik und damit mit der Konzentration auf Investitionen in sogenannte wirtschaftliche Leuchttürme. Zu Beginn schien das auch die richtige Lösung zu sein, denn Städte wie Leipzig und Dresden konnten enorm davon profitieren. In Leipzig siedelten sich große Automobilhersteller an und in Dresden entstand das „Silicon Valley”, eine Ansiedlung der Halbleiter‑, Mikroelektronik- und Photovoltaikindustrie. Diese Industrie ist jedoch abhängig von globalen Märkten und unterliegt damit einem enormen Risiko. Das bekamen 2009 auch etwa 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens Ouimonda in Dresden zu spüren, die aufgrund dessen Insolvenz ihren Job verloren.
Genau an dieser Stelle muss die Politik, die sächsische Regierung, eingreifen, da mit dem Wegbrechen dieser Großunternehmen auch die klein- und mittelständischen Unternehmen, die häufig als Zulieferer auftreten, in Gefahr sind. Um diesen Effekt aufzuhalten, muss ein von der Regierung erlassenes Programm für insbesondere diese kleineren Betriebe Sorge tragen, dass über einen kurzfristigen Zeitraum die Liquidität dieser Firmen sichergestellt wird.
Die Globalisierung der Produktion wird auf Kosten der Menschen und auf Kosten der klein und mittelständischen Betriebe ausgetragen. Diese Art der Globalisierung funktioniert in Sachsen als Flächenland und einem Wirtschaftsnetz aus hauptsächlich kleinen und mittelständischen Firmen, nicht. Vielmehr sollte sich auf eben diese, zum Beispiel durch wieder steigende Investitionen, konzentriert werden. Zudem sollte dem Klein- und Mittelstand durch Fördermöglichkeiten oder auch Beratungsleistungen beim Wachsen geholfen werden. Das hätte nicht nur einen positiven Effekt auf die rein wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieser Betriebe, sondern auch auf die Wirtschaftskraft der Regionen. Die Binnenwirtschaft muss wieder vermehrt in den Vordergrund gerückt und regionale Wirtschaftskreisläufe angekurbelt werden.
Statt ständig über Leuchttürme und DAX-Unternehmen zu fabulieren, wäre es in Sachsen weitaus sinnvoller genau hinzugucken, welche Unternehmen, sich am Weltmarkt positioniert haben, jenseits davon, wie groß oder mit welchem Umsatz sie auf dem globalen Markt unterwegs sind. In allererster Linie sollte es um die Bedeutung für die Region und die Leute, die dort leben, gehen.
Forschung
Einher mit dem Rückgang der Investitionen in die Industrie geht der Anstieg der Investitionen in die Forschung. Diese haben sich in den letzten 13 Jahren um mehr als 13 % erhöht. Das veränderte auch das Bild der Forschungslandschaft in Sachsen. Trotz dieses positiven Effektes können die Klein- und Mittelständler keinen Vorteil daraus ziehen. Nicht nur, dass ihre Leistung kaum beachtet und anerkannt wird, dafür aber die Errichtung von Forschungszentren als herausragende Wirtschaftsleistung verkauft wird, profitieren die kleinen und mittelständischen Unternehmungen in keiner Weise von den Forschungsergebnissen. Sie können sich auch keine eigene Forschungsabteilung leisten. Entsprechend gering ist dadurch auch der Anteil an der Patentanmeldung. Die Forschungsergebnisse kommen damit ausschließlich größeren, teilweise international tätigen, Unternehmen zugute — hier seien insbesondere Konzerne der Automobilindustrie genannt. Demnach sollte ein Teil der Fördermittel für die in Sachsen ansässigen Forschungsinstitute an die Forschung für den Klein- und Mittelstand gebunden werden. Durch diesen Forschungstransfer kann die Wettbewerbsfähigkeit der Klein- und Mittelstandsunternehmen gestärkt werden. Generell sollten die Forschung und der Mittelstand enger zusammenarbeiten und gemeinsame Projekte generieren. Um das zu realisieren sollte in Sachsen ein breites Netz an Kompetenzzentren etabliert werden, dass die unterschiedlichen Bereiche der Mittelständler abdecken kann. Flankiert werden sollten diese Maßnahmen mit der Forderung, die Forschungsergebnisse, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden, auch öffentlich zu machen (open science), damit die Allgemeinheit davon profitiert.
Förderpolitik
Die Förderkulisse in Sachsen ähnelt einem Labyrinth und macht es Kommunen und Unternehmungen sehr schwer, sich zu entscheiden, welches Förderprogramm das richtige ist und ihren Anforderungen gerecht wird. Bei Entscheidung für ein Förderprogramm wird ein langer bürokratischer Prozess in Gang gesetzt, der mit einer Vielzahl an Anträgen beginnt und mit Verwendungsnachweisen noch nicht endet. Bereits an dieser Stelle scheitern viele Klein und Mittelständler an der Erbringung dieser Dokumente. Zum einen haben sie nicht das Personal dafür, welches sich mit den Förderanträgen beschäftigen könnte, noch könnten sie dieses bezahlen. Heißt in dem Falle, dass die Befassung mit Förderanträgen nur neben der eigentlichen Arbeit laufen kann, was einen großen unbezahlten Zeitaufwand bedeutet. Auch hier besteht ein Nachteil gegenüber größeren Unternehmen. An der Stelle sei besonders an die Verantwortung aller Kammern in Sachsen erinnert, die ihren Mitgliedsunternehmen dort hilfreich zur Seite stehen müssten. Aus einer Pflichtmitgliedschaft und daraus entstehenden Beiträgen müsste weitaus mehr Rechnung getragen werden als bisher.
Allein auf der Website der SAB findet man über 30 unterschiedliche Förderprogramme, durch die sich die Unternehmen durcharbeiten müssen. Eine Reduktion auf einige wenige Förderprogramme, die verständlich formuliert sind sowie ein deutlich spürbarer Bürokratieabbau würden zur häufigeren Nutzung dieser Programme führen.
Unternehmensgründungen brauchen Mut, aber auch eine gewisse Sicherheit. Viele innovative Kleinstunternehmungen scheitern bereits an der Eigeninsvestitionssumme beziehungsweise an der Untergrenze für Investitionen bei der GRW. Daneben gibt es zwar Mikrodarlehen, die von der Sächsischen Aufbaubank vergeben werden, allerdings findet auch hier eine sehr restriktive Vergabe statt und viele Darlehen werden nicht bewilligt.
Grundsätzlich geht es auch um gesellschaftliche Akzeptanz der Tatsache, dass es keine Schande ist, mit einer unternehmerischen Idee zu scheitern. Jeder und jede hat eine „zweite Chance” verdient. Dafür müssen wir sorgen. Seit über 10 Jahren gibt es nicht nur einen steten Abwärtstrend in der Gründung von Unternehmungen, sondern die Schließung von Betrieben hat die Zahl der Gründungen mittlerweile überschritten. Forciert wurde diese Entwicklung unter anderem durch die bereits genannte positiv wirtschaftliche Entwicklung Sachsens, die dafür sorgt, dass die Menschen lieber eine „sichere” Anstellung in einem Unternehmen antreten, als sich selbstständig zu machen. Dieser Verlust der unternehmerischen Vielfalt muss aufgehalten werden, zumal insbesondere der ländliche Raum davon lebt. Das bedeutet, dass zum einen die sächsische Gründungsförderung weiter ausgebaut werden muss. Dafür sollte Unternehmen in der Gründungsphase Kapital, etwa in Form eines Venture-Capital, bereitgestellt werden. Weiterhin müssen Selbstständige und Kleinstunternehmen gleichberechtigt in die sozialen Sicherungssysteme aufgenommen werden und mit Lust auf Gründung eigener Unternehmungen in Ihrem Vorhaben unterstützt werden. Eine Idee wäre, die Lebensrisiken der Selbstständigen und insbesondere der Solo-Selbstständigen, dadurch zu vermindern, dass deren Krankenkassenbeiträge nach realistischem Einkommen und nicht nach fiktiven Mindestbemessungsgrundlagen berechnet werden.
Ein Instrument förderpolitischer Maßnahmen sollten, explizit ausgewiesene, revolvierende Fonds sein, mit denen insbesondere auf knapper werdende Fördermittel reagiert werden kann. Dadurch erfahren die klein- und mittelständischen Betriebe einen größeren Handlungsspielraum, was die Entwicklung ihrer Produkte und deren Vermarktung angeht. Zudem sollte von einem reinen Investitionszuschuss an größere Unternehmen abgesehen werden. Dieser sollte in Darlehen aus Darlehen-Fonds umgewandelt werden, um so auch nachhaltiges unternehmerisches Handeln zu motivieren. Die zurückfließenden Gelder können zudem neu investiert werden, zum Beispiel in die bereits benannten revolvierenden Fonds.
Ebenfalls sollte es eine stärkere Einbindung von Sparkassen und Genossenschaftsbanken in die Förderprogramme für Klein- und Mittelständler*innen geben, immerhin steht genau diese Verantwortung in deren Statuten festgeschrieben. Weiterhin sollten zur Vermeidung des
Domino-Effektes funktionierende Unternehmen, die durch insolvente Betriebe in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, eine angemessene Förderung erhalten.
Ein weiteres Problem vieler Klein- und Mittelständler ist die Unternehmensnachfolge. Auch aufgrund vermehrter Abwanderung von Fachkräften nach Westdeutschland oder in die Großstädte, bleiben kleinere Betriebe insbesondere in den ländlichen Regionen auf der Strecke. Damit fehlt diesen Unternehmen nicht nur das Fachkräftepersonal, sondern es findet kein Generationenwechsel mehr statt, womit auch eine eventuelle Unternehmensnachfolge kaum mehr stattfinden kann. Hier manifestiert sich bei fehlender Unternehmensnachfolge ein deprimierendes Bauchgefühl bei den Betroffenen. Viele haben nach der Wende unter schwierigen Bedingungen ihre Unternehmen aufgebaut, schauen auf fast 30 Jahre durchwachsene Zeiten zurück und können den Betrieb einfach nicht übergeben. Ihr ganzes Schaffen wird damit mit einem Mal zerschlagen. Auch das hinterlässt das Gefühl von Scheitern, obwohl sie ihren Betrieb jahrelang halten konnten. Um diese Betriebe und damit auch Arbeitsplätze zu sichern, sollte es hier ein entsprechendes Programm geben, welches nicht nur finanzieller Natur ist, sondern eben jene Rahmenbedingungen schafft, damit junge Menschen vielleicht auch Lust auf die Übernahme der bestehenden Betriebe haben. Ein Instrument könnte die Einführung der Meistergründungsprämie sein, die bereits in vielen anderen Bundesländern funktioniert und gut angenommen wird. Diese variiert zwischen
7.000 und 10.000 Euro. Weiterhin wäre es klug, am Beispiel Berlin orientierend, eine Arbeitsplatzförderung, welche an die Meistergründungsprämie gekoppelt ist, einzuführen. Diesen Zuschuss sollten jedoch nicht nur Jungunternehmer*innen beantragen können, sondern zum Beispiel auch Handwerker*innen, die einen bestehenden Betrieb übernehmen oder sich an einem bestehenden Betrieb beteiligen wollen.