Es ist, wie es ist. Begibt man sich in „die Politik“, bewirbt sich etwa um ein politisches Amt oder Mandat und wird dann auch noch gewählt, steht man, ob man will oder nicht, etwas mehr in der Öffentlichkeit als vorher. Warum dann mit so einem sperrigen Nachnamen?
Nun, als mich im Jahre 2008 mein Kreisverband für eine Wahlkreiskandidatur zur Landtagswahl 2009 nominierte, hieß ich Luise Neuhaus. Nur Luise Neuhaus. Zu dieser Zeit trugen mein Zukünftiger und ich uns mit dem Gedanken, in den Stand der Ehe einzutreten oder in den Hafen der Ehe einzufahren, wie Mensch das auch immer nennt. Heiraten wollten wir. So der Plan. Nicht immer, aber sehr oft, ändern sich nach Eheschließungen die Nachnamen. Allgemein bekannt ist das. Auch wir hatten das vor. Als meine Partei davon erfuhr, begannen im Wahlkampfstab die Köpfe zu rauchen. Denn auf den Wahlunterlagen beim Kreis- und Landeswahlausschuss stand ich als Luise Neuhaus. Unklar war, wie die entsprechenden Gremien darauf reagieren würden, stünde nun auf dem Wahlzettel der Name „Luise Wartenberg“.
Denn so war es geplant. Eigentlich. Da der Bräutigam nun aber partout nicht meinen Namen tragen wollte, für die Ämter und auch die regionale (Zeitungs)öffentlichkeit jedoch ein wenig Kontinuität notwendig erschien, einigten wir uns. Auf einen Kompromiss. Als erstes einigte ich mich allerdings mit der Partei, mit der damaligen Mitarbeiterin für den Wahlkampf in der Landesgeschäftsstelle Antje Feiks, die mehrmals hektisch zu diesem Sachverhalt mit mir telefonierte, im Auftrag des noch viel hektischeren damaligen Landesgeschäftsführers Rico Gebhardt, der um schleunigste Klärung bat. Dann einigte ich mich mit dem zukünftigen Herren an meiner Seite. That’s life. Und das sollte ab da immer irgendwie so sein. Da war ich auf meine Zukunft als „Politikerin“ mal schon schön eingestimmt. Und es bewahrheitet sich: Das Private ist politisch.
Das zeigt sich auch daran, dass meine Partei mir einen guten Teil meines Kalenders organisiert, gern an den Wochenenden. Nun, das habe ich vorher gewusst, und ich habe es so gewollt.
Ihre
Politisch war ich ja immer …
Was das heißt und was ich damit meine, nur ganz kurz. Ich komme aus einer durch und durch politisierten Familie. Bei uns wurde quer durch alle Generationen diskutiert. Und das immer hart in der Sache, aber weich im Herzen. So hielt ich es auch in der Schule, beim Studium und und und. Meine Familie hat mir beigebracht, dass auf der Couch sitzen und meckern nichts bringt und dass wir so nicht sind. Wenn Mensch die Welt verändern möchte, muss Mensch sich engagieren und seinen Kopf hinhalten, wenn es drauf ankommt. Oftmals ohne Rücksicht auf Verluste, vor allem eigene Verluste oder die meiner Familie und meinem engsten Umfeld. Ich habe viel über Menschen gelernt, beim Diskutieren, beim Welt anschauen, ob in Büchern oder Erzählungen, Filmen und Musik, eigener und die von anderen oder beim eigenem Hingucken. Die Klappe konnte ich oft nicht halten und mir fällt das bis heute schwer. Ich hab auf eben diese gekriegt und das nicht nur verbal. Das passiert eben auch, wenn Mensch das links-Sein öffentlich ausdrückt.
Ein Aufruf in Der Linken zu bleiben
Viele von uns starren seit dem Bundesparteitag der Linken und den Austritten der folgenden Woche angestrengt auf das Glas und fragen sich: Ist es jetzt halbvoll? Oder ist es halbleer? Die Wahrheit ist: Das hängt von dem ab, was jetzt passiert.
Wir waren geschockt von den Ereignissen auf dem Berliner Landesparteitag – und demgegenüber froh, dass es auf dem Bundesparteitag eine Debatte und eine Beschlussfassung zum israelisch-palästinensischen Konflikt und zur Abgrenzung von Antisemitismus gab, worauf sich aufbauen lässt. Es hat uns gezeigt, dass wir viele der Debatten, die wir schon einmal geführt haben, erneut führen müssen. Positionen, die wir für geklärt gehalten haben, müssen wir erneut begründen und für Mehrheiten werben. Immer deutlicher wird auch: Wer bestimmte traditionelle linke Setzungen z.B. in der Friedens- und Außenpolitik um jeden Preis festhalten will, verwickelt sich in Widersprüche, kündigt Solidaritäten auf und kann keine linke Perspektive bieten. Daher brauchen wir eine offene programmatische Debatte.
Der Beschluss des Bundesparteitages zu Nahost ist ein Kompromiss. Er hat Schwächen, etwa die unausgewogene und historisch verkürzte Darstellung der Vorgeschichte des 7.Oktobers. Er schafft aber Klarheit: Personen und Organisationen, die Hamas oder Hisbollah beklatschen oder unterstützen, können nicht Mitglied und keine Bündnispartner*innen für Die Linke sein. Wir erwarten vom gewählten Parteivorstand, dies auch durchzusetzen. Wir sehen den aktuellen Beschluss als Grundlage, die in diesem Sinne praktische Konsequenzen haben muss.
Es gibt einiges am letzten Parteitag und seiner Grundstimmung, was wir problematisch finden. Wir haben unterschiedliche Haltungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen, aber einen Mitgliederentscheid nicht umzusetzen, widerstrebt unserem demokratischen Selbstverständnis – und die Debatte dazu war kein inhaltliches Glanzlicht. Wir glauben nicht, dass eine Erneuerung der Partei nur über Selbstmarketing und Gesprächsoffensive möglich ist – wir wollen eine Partei, die sich zu den aktuellen politischen Herausforderungen so nachvollziehbar positioniert, dass sie in der gesellschaftlichen Debatte wahrgenommen wird. „Die Linke macht Politik mit denen, die fortschrittliche Antworten auf die Herausforderungen der Zeit suchen und durchsetzen wollen, und mit denen, die bei der gesellschaftlichen Verteilung von Macht, Eigentum, Einkommen und Einfluss strukturell benachteiligt werden“ (Leitbeschluss Halle): Das lesen wir auch als Bekenntnis zu Feminismus, Antirassismus und internationaler Solidarität. Auch für uns ist „Klasse“ ein wichtiger Bezugspunkt unserer Politik. Aber einen gleichermaßen unscharfen wie inflationären Klassenbegriff, der traditionelle Orientierungen pauschal als „Klassenpolitik“ adeln will, sehen wir kritisch. Das strategische Dreieck (Protest und Bewegung, grundsätzliche Kritik und Alternativen, Übernahme konkreter politischer Gestaltungsmacht) halten wir für unverzichtbar, wenn wir Gesellschaft wirklich verändern wollen – das ist unbequem und manchmal unpopulär, aber es ist das, was eine linke Partei ausmacht.
Viele von uns haben sich in den letzten Jahren im Netzwerk Progressive Linke organisiert. Die Austritte von Genoss*innen, die uns nahestehen, wie Henriette Quade, Elke Breitenbach, Klaus Lederer, und vieler anderer schmerzen uns sehr. Wir teilen manches ihrer Kritik, kommen aber im Ergebnis zu einem anderen Schluss: Wir wollen für das Überleben der Linken kämpfen und dafür streiten, dass sie eine ernstzunehmende linke Kraft wird, die auf die Herausforderungen des 21.Jahrhunderts bessere Antworten hat als Zitate aus dem 19.Jahrhundert. Eine dogmatische oder rückwärtsgewandte Linke hat keine Überlebenschance. Dann sinken die Chancen, soziale und progressive Ziele in dieser Gesellschaft durchzusetzen und dem Rechtsruck eine fortschrittliche Perspektive entgegenzusetzen. DIE LINKE ist eine historische Errungenschaft und wir sind uns sicher: Wenn sie einmal weg ist, kommt eine zweite Chance nicht so schnell wieder.
Wir rufen dazu auf, nicht zu gehen. Aber wir wollen uns besser organisieren und lauter werden: innerhalb der Linken und darüber hinaus. Wir sind überzeugt, dass viele einen solchen Anlaufpunkt suchen. Das sind wir auch den vielen Neueingetretenen schuldig, die auf den Bruch mit Sarah Wagenknecht und dem BSW gewartet haben, die eine linke Partei suchen, und die ein Recht darauf haben, dass wir die Diskussion um den weiteren Weg mit ihnen führen.
Der Bundesparteitag bot auch Anlass zur Hoffnung. Die Auftritte von Gerhard Trabert und Sarah Lee Heinrich etwa ermutigen uns, dass Die Linke wieder attraktiv werden kann für gesellschaftliche Linke, die heimatlos geworden sind: Durch das Versagen der Ampel, den Rechtsruck von SPD und Grünen, aber auch durch das politische Versagen der Linken in den letzten Jahren. Wir sind offen für Menschen, die bei SPD und Grünen keine Perspektive mehr für sich sehen. Wir werben um Menschen, die die Erfahrung machen, dass das Engagement in Bewegungen, NGOs, Initiativen allein nicht ausreicht, um grundlegende Spielregeln der Gesellschaft zu verändern. Die Linke für sie alle wieder attraktiv zu machen — dabei können wir eine wichtige Rolle spielen, dafür wollen wir gemeinsam mit euch kämpfen! Wir werden uns aktiv in die Debatte zum Bundestagswahlprogramm, in die Wahlkämpfe und in die programmatische Erneuerung der Linken einbringen und möchten das zusammen mit euch tun.
Wie geht es weiter?
Am 6.11. machen wir eine Videokonferenz. Wir wollen darüber reden, wie wir uns innerhalb der Partei Die Linke im Sinne dieses Aufrufs besser organisieren können und was dabei die „Mission“ ist. Das muss nicht in der Form klassischer Arbeitsgemeinschaften oder Strömungen sein, aber ohne eine gewisse Struktur wird es nicht gehen.
Am 23.11. trifft sich das Netzwerk Progressive Linke bundesweit in Berlin. Daran werden viele von uns teilnehmen und die Ergebnisse des 6.11. dort einbringen.
Gebt euch einen Ruck und bewegt euch. Mehr werden hilft immer. Alleine grübeln ist keine Lösung. Und es geht immer mehr, als man denkt.
Unterzeichner*innen:
Sabine Berninger
Dr. Cornelia Ernst
Luca Grimminger
Frederike-Sophie Gronde-Brunner
Anne Helm
Kerstin Köditz
Katharina König-Preuss
Caren Lay
Sofia Leonidakis
Cornelia Möhring
Juliane Nagel
Luise Neuhaus-Wartenberg
Cansu Özdemir
Markus Pohle
Martina Renner
Sabine Ritter
Paul Schäfer
Martin Schirdewan
Christiane Schneider
Katina Schubert
Christoph Spehr
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im Wahlkreis
Bismarckstraße 17c, 04509 Delitzsch
Telefon: 034298 481303
E‑Mail: info@luise-neuhaus-wartenberg.de
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